Lieder & Extras

5. Befiehl du deine Wege

Evangelisches Gesangbuch: Nr. 361, Text: Paul Gerhardt 1653,
Melodie: Bartholomäus Gesius 1603; bei Georg Philipp Telemann 1730, Solist: Luca Arlen

Paul Gerhardt

Er wurde in eine unruhige, von Gewalt, Leid und Tod geprägte Zeit hineingeboren. Paul Gerhardt lebte von 1607 bis 1676 und war noch ein Kind, als 1618 der Dreißigjährige Krieg ausbrach. Ein Jahr später starb sein Vater, seine Mutter verlor er nur kurz danach. Als Folge des Krieges brachen Seuchen wie Pest, Pocken und Cholera aus und rafften Tausende von Menschen dahin. Inmitten aller dieser Wirren schaffte das Waisenkind Paul Gerhardt dennoch seinen Schulabschluss und begann 1628 in der Lutherstadt Wittenberg mit dem Studium der Theologie. Wie viele andere gelehrte junge Männer musste auch er sich seinen Lebensunterhalt als Hauslehrer verdienen. In die Tochter der Familie Berthold in Berlin, deren Kinder Paul Gerhardt nach seinem Studium unterrichtete, hat er sich später verliebt. Mit 48 Jahren, das war für damalige Zeiten schon ein ziemlich hohes Alter, heiratete er schließlich seine Anna Maria. Das Paar bekam fünf Kinder, von denen jedoch nur eines seine Eltern überlebt hat.

Jetzt könnte man meinen, dass dieser Paul Gerhardt, dem so viel Trauriges in seinem Leben widerfahren war, ein sehr ernster und bitterer Mensch geworden sein muss. Aber das war nicht der Fall, im Gegenteil: Ihm verdanken wir mit die schönsten Kirchenlieder überhaupt. Insgesamt hat er sage und schreibe 134 Liedtexte geschrieben, von denen Ihr bestimmt auch einige kennt: „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“ zum Beispiel, oder „Die güldne Sonne“ oder „Ich steh‘ an Deiner Krippen hier“ und noch viele mehr. 26 Lieder im heutigen Gesangsbuch der Evangelischen Kirche stammen von ihm, und die meisten drücken Zuversicht und Gottvertrauen aus, ohne zu verleugnen, dass auch Sorgen, Not und Elend, wie Paul Gerhardt selbst erfahren musste, zum Leben dazugehören. Paul Gerhardt war übrigens auch ein sehr mutiger Mann: Als sein Vorgesetzter, der brandenburgische Kurfürst Johann Sigismund, von ihm verlangte, dass er von seinen Glaubensüberzeugungen abrücken sollte, hat er sich geweigert und als Folge davon seine Arbeit als Pfarrer an der Berliner Nikolaikirche verloren. Obgleich das eine sehr geachtete Position war, zeigte er sich sofort bereit, Ansehen und Einkommen für seine Überzeugungen zu opfern. Viele Gemeindemitglieder haben damals gegen seine Entlassung protestiert, denn er war als Pfarrer sehr beliebt, aber es half nichts. Deshalb hat Paul Gerhardt die letzten sieben Jahre seines Lebens in Lübben im Spreewald verbracht, wo er wieder als Pastor tätig sein konnte. Dort liegt er auch begraben, und wenn Ihr einmal dorthin kommt, könnt Ihr im Kircheninnern das prächtige Porträt bewundern, das man dort zur Erinnerung an diesen großen Dichter aufgehängt hat.

DIE GESCHICHTE ZUM LIED

Das kleine Eichhörnchen Mathilda und der Weg des Vertrauens // Nicole Metzger

„Komm, Mathilda, iss wenigstens ein bisschen. So ganz ohne Frühstück kannst du doch nicht in die Schule gehen!“ „Nein!“, entgegnet das kleine Eichhörnchen-Mädchen Mathilda seiner Mutter voller Trotz. „Ich habe keinen Durst und keinen Hunger. Und in die Schule gehe ich auch nicht. Die Schule hier gefällt mir nicht, und die anderen Kinder sind ganz gemein. Ich will wieder zurück in meine alte Schule!“ „Ach, Mathilda!“, seufzt ihre Mutter, „Wir haben unser altes Zuhause nicht freiwillig verlassen, das weißt du ganz genau. Nach dem schrecklichen Sturm ist von unserem Waldstück nicht mehr viel übrig geblieben. Da konnten wir nicht bleiben. Und im Übrigen kann ich mir nicht vorstellen, dass alle Kinder in der Schule gemein sind. Du musst darauf vertrauen, dass du auch hier deinen Weg finden wirst. Und jetzt los! Sonst kommst du zu spät.“

Mathilda verlässt nur sehr widerwillig den Kobel. Draußen ist es kalt. Sie fröstelt. Ihr Magen krampft sich zusammen. Sie fühlt sich schrecklich alleine. Alle anderen Eichhörnchen-Kinder in ihrer Klasse haben einen Freund oder eine Freundin– nur sie nicht. Sie helfen sich untereinander, feuern sich gegenseitig beim Wettspringen an, vertrauen sich. Wie gerne würde sie auch dazugehören. Ihre Mutter hat gut reden: Vertraue darauf, dass du auch hier deinen Weg finden wirst. Die hat ja keine Vorstellung davon, wie sie sich jeden Morgen fühlt! Wie ein Blinder, der seinen Weg nicht findet. Mit weichen Knien, weil der Boden unter ihr nachzugeben scheint.

„Schuhuu! Schuhuu!“ Mathilda wird jäh aus ihren Gedanken gerissen. Sie zuckt zusammen. Was ist das? Wieder ruft jemand: „Schuhuu!“ Da sieht Mathilda die alte, weise Eule in einer Buche sitzen. In der Schule hat sie schon oft von ihr gehört. Gesehen hat sie sie bislang allerdings noch nie. „Mathilda. Ich weiß von deinem Kummer. Vertraue darauf, dass es einen gibt, der dich immer begleitet, der jeden deiner Schritte kennt, dem du dich immer anvertrauen kannst. Dann wirst du deinen Weg finden.“ Damit erhebt sich die Eule und fliegt lautlos davon. „Na, toll!“, denkt Mathilda wütend. „Was sollte das denn jetzt?! Schon wieder vertrauen. Alle reden immer nur von vertrauen. Wem oder was soll sie denn vertrauen?“ – Aber halt! Wenn sie ganz ehrlich ist, weiß Mathilda im tiefsten Herzen, was damit gemeint ist. Dieses Gefühl des Loslassens und sich führen lassen war ihr nur zwischen all ihren Selbstzweifeln abhanden gekommen. Nachdenklich läuft sie weiter – und der Weg scheint ihr dabei entgegen zu kommen.

In der Schule sind schon alle Eichhörnchen-Kinder versammelt. „Guten Morgen, Mathilda! Komm setz dich schnell. Ich wollte gerade anfangen.“, begrüßt die Lehrerin, Frau Hase, das Eichhörnchen-Mädchen freundlich. „Heute wollen wir zusammen eine neue Decke für unsere Kreismitte beim Morgenkreis gestalten. Dabei wollte ich euch selbst überlassen, welche Motive ihr verwenden wollt. Hat jemand eine Idee?“ Die Eichhörnchen-Kinder rufen wild durcheinander: „Nüsse!“ „Bäume und Sonne!“ „Nee, Sonne, Mond und Sterne!“ Es ist ein einziges Chaos. Wie von einer inneren Kraft getrieben, sagt Mathilda mitten in diesen Lärm hinein: „Wir können doch bunte Fußabdrücke hinterlassen.“ Obwohl sie sehr leise gesprochen hat, haben alle sie gehört. Plötzlich ist es still. „Was soll das denn?!“, ruft der kecke Louis und fängt schon an zu grinsen. „Das ist doch klar, Louis“, mischt sich da Lotte ein, „Wir alle sind einzigartig und andersfarbig, doch wenn wir zusammenstehen ergeben wir ein schönes, buntes Bild!“ „Tolle Idee! So machen wir’s! Gut ausgedacht, Mathilda!“, erschallt es da von den anderen im Chor.

„Ich bin auf dem Weg!“, denkt Mathilda. Sie lächelt Lotte und die anderen an und fühlt sich zum ersten Mal seit langem wieder richtig wohl – und hat einen Bärenhunger.