Lieder & Extras

13. Wohl denen, die da wandeln

Evangelisches Gesangbuch: Nr. 295, Text: Cornelius Becker 1602, Melodie: Heinrich Schütz 1661, Solisten: Ramia Drahhal, Spencer Weiss

CORNELIUS BECKER

Seiner Heimatstadt Leipzig ist Cornelius Becker sein ganzes Leben lang treu geblieben. 1561 wurde er in der sächsischen Handelsstadt als Sohn eines Kaufmanns geboren, hier studierte er auch Theologie und war anschließend einige Zeit als Lehrer an der berühmten Leipziger Thomasschule tätig. Später wurde er als Pfarrer an die Leipziger Nicolaikirche berufen, gleichzeitig lehrte er auch als Professor für Theologie an der Universität. Doch dann fiel er in Ungnade und wurde vorübergehend als Pfarrer entlassen, weil er sich in einem innerkirchlichen Streit zu heftig zu Wort gemeldet hatte. Später nahm man alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe wieder zurück, so dass er in sein Amt zurückkehren konnte. Während seiner unfreiwilligen Arbeitslosigkeit reifte in Becker der Plan, sich an die Verwirklichung eines langgehegten Vorhabens zu machen: Er wollte die Psalmen neu übersetzen, um sie als Lieder für den Gottesdienst verwenden zu können. Die bisherigen Übersetzungen gefielen ihm nicht: Die Texte fand er zu schwerfällig und sperrig, die Musik hingegen zu süßlich und schwülstig. So entstand sein „Psalter Davids Gesangweis“, eine Sammlung von insgesamt 150 Texten. Der Komponist Heinrich Schütz fand in diesem Buch viel Trost für seinen persönlichen Kummer, denn seine Frau war vor kurzem gestorben. Weil ihm die Texte so gut gefielen, machte er sich daran, einige von ihnen zu vertonen. Darunter auch unser Lied: „Wohl denen, die da wandeln“. Diese Worte beruhen auf dem 119 Psalm, einer Seligpreisung, die allen denen ein glückliches und erfülltes Leben verspricht, die sich an Gottes Gebote halten.

Cornelius Becker starb mit nur 43 Jahren, nur wenige Monate nachdem er zum zweiten Male geheiratet hatte. Auch er hatte, wie Schütz, seine erste Ehefrau, mit der er vier Kinder hatte, früh verloren.

Bis heute haben sich fünf seiner Lieder im Evangelischen Kirchengesangsbuch gehalten.

DIE GESCHICHTE ZUM LIED

Schwester Rosita // Jochem Westhof

Sie nennen sie Schwester Rosita.
Sie ist eine Ordensschwester und lebt bei den armen Leuten im Bergland.
12 kleine Siedlungen gibt es dort im Bergland, weit verstreut liegen sie. 12 kleine Kirchen gibt es.
An jedem Tag in der Woche ist sie in einer anderen Kirche. Nur sonntags nicht, da geht sie in die große Stadt zum Gottesdienst. In zwei Wochen ist sie in allen Siedlungen gewesen.

Sie sitzt dort und wartet auf Menschen, die zu ihr kommen. Und es kommen viele. Mütter kommen mit ihren Kindern. Die Kirche verwandelt sich in ein Spielzimmer. Schwester Rosita redet mit den Müttern. Sie gibt ihnen Ratschläge, dass die Kinder gesund bleiben. Sie schickt sie zum Arzt in die große Stadt. Sie hört den Müttern zu.
Wenn die Kinder größer sind, gibt es eine Schulstunde. Sie müssen doch schreiben und lesen lernen. Die Kinder sind gerne dabei, aber was hilft schon eine Schulstunde in zwei Wochen? Eine richtige Schule ist weit weg und sie kostet Geld. Und Geld hat auch Schwester Rosita nicht.

Den Müttern zeigte sie, wie man Gemüse anbaut auf der kargen Erde des Berglandes. Mit Plastikfolien und Draht bauten sie kleine Gewächshäuser und hatten später eine reiche Ernte.

Bevor sie abends nach Hause geht, macht sie in der Kirche noch eine Kerze an. Sie singt mit den Leuten und sie liest aus der Bibel. Sie liest:

Wohl dem Menschen,
der sein Leben mit Gott lebt
und an seinen Weisungen Freude hat.
Den Menschen erscheint er wie ein Licht in der Dunkelheit
Unbeirrt teilt er seine Güter mit den Armen.

Die Leute sagen: „So ein Mensch, das ist Schwester Rosita. Wie ein Licht in der Dunkelheit.“

Manchmal singt sie Lieder aus dem Gesangbuch. Sie singt die Nummer 295:

Wohl denen, die da wandeln, vor Gott in Heiligkeit,
nach seinem Worte handeln und leben allezeit;
die recht von Herzen suchen Gott
und seine Zeugniss halten,
sind stets bei ihm in Gnad.

Als Rosita wieder einmal unterwegs zu einer Kirche war, standen plötzlich fremde Männer im Weg.
„Hau ab!“ sagten sie, „hau ab aus dieser Gegend. Wir wollen dich hier nicht mehr sehen.“ - „Immer mehr von deinen dreckigen, verlausten Kindern melden sich in der Schule an. Das stört in der Schule.“ – „Immer mehr von deinen dreckigen, verlausten Kindern gehen zu den Ärzten in die große Stadt. Sie betteln um Medizin. Das stört uns.“ „Geh weg. Lass die Armen alleine. Sie bleiben im Bergland und wir haben unsere Ruhe.“
Einer der Männer holte plötzlich eine Art Peitsche aus einer Tasche, ein anderer einen Stock, wie ein Knüppel. Aber sie schlugen nicht zu. Sie sagten: „Diesmal kommst du davon. Nächstes Mal machen wir Ernst.“ Dann verschwanden sie.

Erschrocken stand Rosita da. Was sollte sie tun? Die Menschen brauchen sie. Sie ging zur Polizei – die lachte nur. Helfen wollte sie nicht.
Sie blieb in ihrem Haus. Da kamen die Leute aus den Dörfern zu ihr. Sie hatte gar nicht genug Platz für alle. Sie sangen zusammen:

Mein Herz hängt treu und feste an dem, was dein Wort lehrt.
Herr, tu bei mir das Beste, sonst ich zu Schanden werd’.
Wenn du mich leitest, treuer Gott,
so kann ich richtig laufen,
den Weg deiner Gebot.

Da war Rosita sich sicher, dass sie nicht weggehen würde. Sie bat die Leute, sie auf dem Weg zu den Kirchen zu begleiten, dann muss sie nicht alleine gehen. Da wurde es jeden Tag eine große Schar, die mit ihr ging.
„Ihr seid ein Segen für mich“, sagte sie, „ ihr seid wie eine große Familie.“ – „Und du bist unsere Schwester Rosita. Du singst und betest mit uns. Du zeigst den Kindern die Buchstaben. Du zeigst uns, wie Gemüse im Bergland wächst.“

Dein Wort, Herr, nicht vergehet, es bleibet ewiglich,
so weit der Himmel gehet, der stets beweget sich;
dein Wahrheit bleibt zu aller Zeit
gleichwie der Grund der Erden,
durch deine Hand bereit’.

Die fremden Männer sind nicht wieder gekommen.