Lieder & Extras

2. Die güldne Sonne

Evangelisches Gesangbuch: Nr. 449, Text: Paul Gerhardt 1666,
Melodie: Johann Georg Ebeling 1666

Paul Gerhardt

Er wurde in eine unruhige, von Gewalt, Leid und Tod geprägte Zeit hineingeboren. Paul Gerhardt lebte von 1607 bis 1676 und war noch ein Kind, als 1618 der Dreißigjährige Krieg ausbrach. Ein Jahr später starb sein Vater, seine Mutter verlor er nur kurz danach. Als Folge des Krieges brachen Seuchen wie Pest, Pocken und Cholera aus und rafften Tausende von Menschen dahin. Inmitten aller dieser Wirren schaffte das Waisenkind Paul Gerhardt dennoch seinen Schulabschluss und begann 1628 in der Lutherstadt Wittenberg mit dem Studium der Theologie. Wie viele andere gelehrte junge Männer musste auch er sich seinen Lebensunterhalt als Hauslehrer verdienen. In die Tochter der Familie Berthold in Berlin, deren Kinder Paul Gerhardt nach seinem Studium unterrichtete, hat er sich später verliebt. Mit 48 Jahren, das war für damalige Zeiten schon ein ziemlich hohes Alter, heiratete er schließlich seine Anna Maria. Das Paar bekam fünf Kinder, von denen jedoch nur eines seine Eltern überlebt hat.

Jetzt könnte man meinen, dass dieser Paul Gerhardt, dem so viel Trauriges in seinem Leben widerfahren war, ein sehr ernster und bitterer Mensch geworden sein muss. Aber das war nicht der Fall, im Gegenteil: Ihm verdanken wir mit die schönsten Kirchenlieder überhaupt. Insgesamt hat er sage und schreibe 134 Liedtexte geschrieben, von denen Ihr bestimmt auch einige kennt: „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“ zum Beispiel, oder „Die güldne Sonne“ oder „Ich steh‘ an Deiner Krippen hier“ und noch viele mehr. 26 Lieder im heutigen Gesangsbuch der Evangelischen Kirche stammen von ihm, und die meisten drücken Zuversicht und Gottvertrauen aus, ohne zu verleugnen, dass auch Sorgen, Not und Elend, wie Paul Gerhardt selbst erfahren musste, zum Leben dazugehören. Paul Gerhardt war übrigens auch ein sehr mutiger Mann: Als sein Vorgesetzter, der brandenburgische Kurfürst Johann Sigismund, von ihm verlangte, dass er von seinen Glaubensüberzeugungen abrücken sollte, hat er sich geweigert und als Folge davon seine Arbeit als Pfarrer an der Berliner Nikolaikirche verloren. Obgleich das eine sehr geachtete Position war, zeigte er sich sofort bereit, Ansehen und Einkommen für seine Überzeugungen zu opfern. Viele Gemeindemitglieder haben damals gegen seine Entlassung protestiert, denn er war als Pfarrer sehr beliebt, aber es half nichts. Deshalb hat Paul Gerhardt die letzten sieben Jahre seines Lebens in Lübben im Spreewald verbracht, wo er wieder als Pastor tätig sein konnte. Dort liegt er auch begraben, und wenn Ihr einmal dorthin kommt, könnt Ihr im Kircheninnern das prächtige Porträt bewundern, das man dort zur Erinnerung an diesen großen Dichter aufgehängt hat.

JOHANN GEORG EBELING

Auch seine Wege haben die von Paul Gerhardt gekreuzt. So kam Johann Georg Ebeling, der 1637 in Lüneburg geboren wurde, 1662 nach Berlin, um an der dortigen Nicolai-Kirche die Nachfolge Johann Crügers als Kantor anzutreten. Crüger – vielleicht erinnert Ihr Euch – hat die Melodie zu „Nun danket alle Gott“ (Lied Nr. 7 auf unserer CD) geschrieben und war ein enger Freund von Paul Gerhardt, der zur selben Zeit als Diakon an der Nicolaikirche tätig war. Auch Ebeling und Gerhardt müssen sich sehr gemocht und gut verstanden haben. So ist Ebeling derart begeistert von den Lieddichtungen seines theologischen Kollegen im Kirchenamt, dass er später 120 Liedtexte von Gerhardt herausgeben wird. Für viele hat er außerdem neue Melodien komponiert; bei 26 Liedern sind seine Kompositionen sogar die ersten, die für sie geschrieben wurden. Und als Gerhardt wegen seiner Unbeugsamkeit gegenüber dem mächtigen Kurfürsten nach Lübben strafversetzt wird, hält es Ebeling auch nicht länger in Berlin. Kurze Zeit später wechselt er nach Stettin, wo er erneut als Kantor, aber auch als Griechisch- und Musiklehrer an dortigen Gymnasium Carolinum arbeitet. Von ihm stammt auch die älteste Musikgeschichte Deutschlands, mit dem eindrucksvollen Namen: „Archaelogia Orphicae“.

Johann Georg Ebeling wurde nur 39 Jahre alt, doch war er in seinem kurzen Leben drei Mal verheiratet. Alle drei Ehefrauen starben früh, seine letzte hat er selbst nur um zwei Tage überlebt.

Heute erinnern wir uns vor allem wegen des wunderbaren Liedes „Die güldne Sonne“ an diesen Komponisten. Aber ganz sicher haben alle seine Vertonungen von Gerhardt-Texten zu dessen großer Berühmtheit beigetragen. Ursprünglich sollten diese Lieder bei der Hausandacht gesungen werden, wenn sich eine Familie gemeinsam mit ihren Angestellten und Bediensteten daheim vor einem kleinen Altar zum gemeinsamen Gottesdienst versammelte. Aber im Zusammenklang mit den einprägsamen und mitreißenden Melodien von Ebeling, Crüger und anderen entfalteten diese Texte eine solche Wirkungskraft, dass sie auch den öffentlichen Gottesdienst erobert haben. Und das bis heute.

DIE GESCHICHTE ZUM LIED

Mein Lieblingsplatz // Ursula Starke

Als ich so alt war wie du, da wollte ich nachts am liebsten im Garten schlafen. Da stand nämlich meine neue Rutsche. Sie hatte ein rotes Gestell und ein gelbes Geländer und eine silberne Bahn zum Runterrutschen. Und weil ich natürlich nachts nicht alleine draußen schlafen durfte, schlich ich ganz früh am Morgen heimlich in den Garten. Mama und Papa schliefen noch und haben nichts gemerkt.

Der Rasen war noch ganz feucht und meine Füße wurden nass. Das machte mir aber gar nichts aus. Ich kletterte die Leiter hinauf und setzte mich auf die Plattform. Hier oben war mein absoluter Lieblingsplatz! Von hier aus konnte ich alles sehen: Die Netze der Spinnen in den Hecken. Sie schimmerten von den Tautropfen, die sich auf ihnen niedergelassen hatten. Die Erdbeeren, manche noch grün und andere schon rot und reif. Lecker! In einer Ecke raschelte es und eine kleine Maus huschte vorbei.

Und von hier aus konnte ich besonders gut hören: Das Plätschern des kleinen Brunnens neben den Sträuchern. Das Zwitschern der Vögel, die immer als erste den Tag begrüßten. In der Ferne vorbeifahrende Autos.

Wie lange habe ich da wohl gesessen? Ich kann es dir nicht sagen. Aber ich glaube, es war eine kleine Ewigkeit. Und irgendwann wurde die Sonne immer wärmer, der Rasen trocknete und im Haus klapperten die Teller.
G
leich gibt es Frühstück. Leb wohl, mein allerliebster Ort. Bis morgen!

Wo bist du gerne? Welches ist dein Lieblingsplatz? Was kannst du von dort sehen? Hören? Riechen? Spüren?

Ursula Starke