Lieder & Extras

9. Ich steh an deiner Krippen hier

Evangelisches Gesangbuch: Nr. 37, Text: Paul Gerhardt 1653, Melodie: Johann Sebastian Bach 1736,
Solistin: Emilia Leni Tobias

Paul Gerhardt

Er wurde in eine unruhige, von Gewalt, Leid und Tod geprägte Zeit hineingeboren. Paul Gerhardt lebte von 1607 bis 1676 und war noch ein Kind, als 1618 der Dreißigjährige Krieg ausbrach. Ein Jahr später starb sein Vater, seine Mutter verlor er nur kurz danach. Als Folge des Krieges brachen Seuchen wie Pest, Pocken und Cholera aus und rafften Tausende von Menschen dahin. Inmitten aller dieser Wirren schaffte das Waisenkind Paul Gerhardt dennoch seinen Schulabschluss und begann 1628 in der Lutherstadt Wittenberg mit dem Studium der Theologie. Wie viele andere gelehrte junge Männer musste auch er sich seinen Lebensunterhalt als Hauslehrer verdienen. In die Tochter der Familie Berthold in Berlin, deren Kinder Paul Gerhardt nach seinem Studium unterrichtete, hat er sich später verliebt. Mit 48 Jahren, das war für damalige Zeiten schon ein ziemlich hohes Alter, heiratete er schließlich seine Anna Maria. Das Paar bekam fünf Kinder, von denen jedoch nur eines seine Eltern überlebt hat.

Jetzt könnte man meinen, dass dieser Paul Gerhardt, dem so viel Trauriges in seinem Leben widerfahren war, ein sehr ernster und bitterer Mensch geworden sein muss. Aber das war nicht der Fall, im Gegenteil: Ihm verdanken wir mit die schönsten Kirchenlieder überhaupt. Insgesamt hat er sage und schreibe 134 Liedtexte geschrieben, von denen Ihr bestimmt auch einige kennt: „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“ zum Beispiel, oder „Die güldne Sonne“ oder „Ich steh‘ an Deiner Krippen hier“ und noch viele mehr. 26 Lieder im heutigen Gesangsbuch der Evangelischen Kirche stammen von ihm, und die meisten drücken Zuversicht und Gottvertrauen aus, ohne zu verleugnen, dass auch Sorgen, Not und Elend, wie Paul Gerhardt selbst erfahren musste, zum Leben dazugehören. Paul Gerhardt war übrigens auch ein sehr mutiger Mann: Als sein Vorgesetzter, der brandenburgische Kurfürst Johann Sigismund, von ihm verlangte, dass er von seinen Glaubensüberzeugungen abrücken sollte, hat er sich geweigert und als Folge davon seine Arbeit als Pfarrer an der Berliner Nikolaikirche verloren. Obgleich das eine sehr geachtete Position war, zeigte er sich sofort bereit, Ansehen und Einkommen für seine Überzeugungen zu opfern. Viele Gemeindemitglieder haben damals gegen seine Entlassung protestiert, denn er war als Pfarrer sehr beliebt, aber es half nichts. Deshalb hat Paul Gerhardt die letzten sieben Jahre seines Lebens in Lübben im Spreewald verbracht, wo er wieder als Pastor tätig sein konnte. Dort liegt er auch begraben, und wenn Ihr einmal dorthin kommt, könnt Ihr im Kircheninnern das prächtige Porträt bewundern, das man dort zur Erinnerung an diesen großen Dichter aufgehängt hat.

JOHANN SEBASTIAN BACH

Manche sagen, er solle nicht „Bach“, sondern „Meer“ heißen, weil sie sein musikalisches Können als so unendlich und unfassbar groß empfinden wie einen Ozean. Erst vor wenigen Tagen wurde das Original-Manuskript zu seiner h-moll-Messe von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt, das heißt, diese von ihm selbst beschriebenen 99 Seiten voller Noten zählen jetzt zum Gedächtnis der Menschheit.

Geboren wurde Johann Sebastian Bach am 21. März 1685 in Eisenach. Da seine Eltern früh starben, wuchs er bei seinem älteren Bruder auf. In der Familie wurde schon seit Generationen viel musiziert, und so verdiente sich auch der junge Johann Sebastian seinen Lebensunterhalt mit Dirigieren und der Aufführung von Instrumentalmusik. Und er liebte es zu reisen, so wanderte er beispielsweise in den hohen Norden nach Lübeck, weil dort der damals berühmte Komponist Dietrich Buxtehude als Organist tätig war, von dem Bach viel zu lernen erhoffte. Bach besuchte keine Hochschule, fast alles brachte er sich als Musiker selber bei. Wenn er unterwegs war, vergaß er mitunter seine Pflichten daheim und überzog die ihm von seinem Arbeitgeber, dem Herzog Wilhelm Ernst von Weimar, gewährte Urlaubszeit. Bach war an dessen Hof als Organist, Konzertmeister und Kammermusiker tätig. Der Herzog hat Bach sogar einmal bei trocken Brot und Wasser in seinen Schlosskerker eingesperrt. Denn dieser hatte, ohne um die Einwilligung seines Dienstherrn zu ersuchen, einfach eine Anstellung als Hofkapellmeister bei Fürst Leopold in Köthen angenommen. Vier Wochen verbrachte Bach in seinem Gefängnis, bis sich die beiden hohen Herren geeinigt hatten und Wilhelm Ernst seinen Hofmusiker ziehen ließ. Das war 1717. Nur sechs Jahre später, 1723, trat Bach die Stelle an, die ihn berühmt machte und die er bis zu seinem Tod im Jahr 1750 bekleiden sollte: Er wurde als Thomaskantor nach Leipzig an die berühmte Thomaskirche berufen. Den Thomanerchor, bei dem nur Jungen mitsingen dürfen, kennt Ihr bestimmt alle, ihn gab es schon zu Bachs Zeiten. Der Komponist selbst hatte übrigens sage und schreibe 20 eigene Kinder aus zwei Ehen, von denen aber nur sechs Söhne und vier Töchter das Erwachsenenalter erlebten.

Viel wissen wir nicht über den Menschen Johann Sebastian Bach, außer dass er sehr gläubig war und gesagt haben soll, er schaffe seine musikalischen Werke allein zur höheren Ehre Gottes. Aber es gibt auch so amüsante Stücke von ihm wie die „Kaffee-Kantate“, in der mehrere Sänger immerfort den Genuss dieses Getränks anpreisen. Eine Zeit lang hat Bach fast jeden Sonntag eine neue Kantate geschrieben und in der Thomaskirche aufgeführt, womit er die Kirchgänger manchmal verwirrte, weil er ihnen immer neue Töne vorsetzte. 199 Kantaten sind insgesamt von ihm erhalten. Und Ihr kennt bestimmt alle auch einige Werke von Bach, wetten? Das Weihnachtsoratorium zum Beispiel, die Toccata und Fuge d-moll oder das Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach, seine zweite Ehefrau. Aber inzwischen wissen wir, dass das, was von seinen Noten überliefert ist, nur einen Teil seines gesamten Schaffens darstellt. Denn nach seinem Tod war Bach fast ein Jahrhundert lang in Vergessenheit geraten, bis ihn spätere Komponisten wie Felix Mendelssohn-Bartholdy oder Robert Schumann neu entdeckten.

DIE GESCHICHTE ZUM LIED

Ich steh an deiner Krippen hier // Thomas Lotz

Mia passt mal wieder auf Timo auf. Timo ist noch klein, er hat gerade erst Laufen gelernt. Das sieht lustig aus! Timo läuft weg, also läuft Mia hinterher und bringt ihn wieder in die Spielecke.
Als Timo noch kleiner war, da war das viel einfacher, auf ihn aufzupassen! Es war wie beim Krippenspiel: Das Baby lag einfach nur da, hat die meiste Zeit geschlafen und wenn nicht, hatte es irgendjemand auf dem Arm.
Obwohl: Da war doch ein ganz schöner Aufwand wegen dem Baby. Erst mal die Suche nach dem Bett – und am Ende gab es nur eine Futterkrippe. Timo hatte immerhin eine Wiege in seinem Kinderzimmer und ein Körbchen im Wohnzimmer. Daran kann sich Mia noch gut erinnern.
Und Josef und Maria, die waren ja zu Fuß unterwegs. Bei Timo gab es ein Tragetuch, einen Kinderwagen und einen Autositz. Da hatte es Timo schon besser als das Jesuskind.
Aber irgendwie ging es trotzdem. Timo läuft jetzt schon, überlegt Mia, und Jesus ist ja irgendwann auch herumgelaufen. Der war ja dann ein erwachsener Mensch.
Ob das bei Jesus auch so lustig ausgesehen hat, die ersten Schritte?
Das fragt sich Mia, als Timo auf wackeligen Beinen zu ihr zurück kommt. Sie kann sich einen kleinen Jesus gar nicht vorstellen. In den anderen Geschichten ist er immer so stark, kann tolle Sachen und die anderen sind von ihm so beeindruckt.
Bei Timo, naja, da lachen die Leute höchstens und finden ihn süß.
Vielleicht wird Timo auch mal so berühmt wie Jesus, überlegt sich Mia.
Dann lachen die Großen nicht mehr, wenn er wo hineinkommt, sondern sagen: „Ah, der Timo! Seid mal leise, der will bestimmt etwas sagen!“
Wenn Timo eines Tages mal berühmt wird, denkt sich Mia, dann kann ich sagen: Auf den Timo habe ich auch schon aufgepasst! Ob die Leute ihr dann glauben, dass Timo mal so klein war?
„Ich glaube, ich weiß jetzt, warum sich die Menschen die Geschichte von dem Jesus in der Futterkrippe erzählen,“ sagt Mia halblaut vor sich hin. „Damit sie nicht vergessen, das der berühmte Jesus auch mal ein Kind war!“
So ein Kind wie Timo, der gerade schon wieder etwas Neues entdeckt hat. Und wie Mia, die ihre Freude daran hat.