Lieder & Extras

14. Weißt du, wieviel Sternlein stehen

Evangelisches Gesangbuch: Nr. 511, Text: Wilhelm Hey 1837,
Melodie: Volkslied um 1818, Solistin: Emilia Leni Tobias

Johann Wilhelm Hey

Kaum ein Kind, dem dieses Lied nicht abends beim Schlafengehen an seinem Bettchen vorgesungen wurde. „Weißt Du, wie viel Sternlein stehen?“ gehört sicherlich zu den bekanntesten Wiege- und Gute-Nacht-Liedern in deutscher Sprache. Und wer kennt die zweite Strophe? Dort geht das Zählen weiter: „Weißt Du, wie viel Mücklein stehen?“ heißt es im ersten Vers. Wetten, dass das so gut wie niemand wusste. Vor 100 Jahren noch musste jedes Kind in Deutschland alle Strophen dieses Liedes auswendig lernen. Das stand so im Lehrplan für die erste Klasse in der Grundschule. Im Evangelischen Gesangbuch findet sich dieses Lied auch, und das bis heute; schließlich handelt der Text ja von Gottes Fürsorge, die kein Lebewesen, und sei es so klein wie eine Mücke, übersieht oder vergisst. Von dem Mann, der diese Verse geschrieben hat, spricht allerdings heute kaum noch jemand. Dabei war dieser Johann Wilhelm Hey, der von 1789 bis 1854 gelebt hat, ein sehr beeindruckender Mann, der viel Gutes bewirkt hat. Ihm lagen vor allem Kinder und Jugendliche am Herzen, was vielleicht auch daran lag, dass er selbst es in seiner Kindheit nicht leicht gehabt hatte. Denn seine Eltern starben sehr früh. Gott sei Dank hatte er einen älteren Bruder, der ihn bei sich aufnahm und ihm ermöglichte, die Schule zu besuchen und an den Universitäten von Jena und Göttingen Theologie zu studieren.

Anschließend hat Wilhelm Hey drei Jahre lang als Hauslehrer in den Niederlanden gearbeitet, danach fand er eine Anstellung als Pädagoge in einem Internat in Gotha, in derselben Stadt wurde er einige Jahre später auch zum Hofprediger ernannt, bis er schließlich sogar das Amt eines Superintendenten und Bezirksschulinspektors in innehatte. Während all dieser Jahre, in denen er selbst Karriere machte, engagierte er sich sehr für andere Menschen, vor allem für jüngere Leute. So gründete er eine Hilfskasse für Handwerker, eine Fortbildungsschule für Auszubildende im Handwerk und ein Kinderheim, heute würden wir Kita sagen, wohin berufstätige Mütter ihre Kinder zur Betreuung bringen konnten.

Wilhelm Hey schrieb auch Bücher für Kinder. Am berühmtesten sind seine „Fünfzig Fabeln“, die in viele Sprachen übersetzt wurden. Aber wir haben ihm vor allem noch ein Lied zu verdanken, das ihr bestimmt auch alle kennt, denn es darf bei keinem Weihnachtsfest fehlen. „Alle Jahre wieder“ singen wir es, im Advent und auch an Heiligabend.

DIE GESCHICHTE ZUM LIED

Wie heiße Milch mit Honig // Nicole Metzger

Platsch. Volltreffer! Der Stein landet mitten in der Pfütze. Wasser spritzt sein Hosenbein nass, aber Tom bemerkt es nicht. Viel zu laut ist ihm noch das Gelächter der anderen Kinder aus seiner Klasse im Ohr. „Moppel-Tom, Hoppel-Tom!“, dröhnt es in seinen Ohren. Oh, wie sehr er den Sportunterricht in der Schule verabscheut! Klein, ganz klein fühlt er sich dann, besonders wenn die Mannschaften gewählt werden. Er weiß, er wird sowieso wieder als letzter da stehen, weil ihn keiner will. „Oh, nee! Jetzt müssen wir uns mit Moppel-Tom rumschlagen. Ist doch klar, dass wir verlieren!“, rufen dann seine Mitschüler.

Mittlerweile regnet es in Strömen. Tom ist schon ganz nass – von Tränen und Regen. Er spürt es nicht. Nichts fühlt er mehr. Alles ist wie taub. Nur immer das Schreien in seinen Ohren: „Moppel-Tom! Moppel-Tom, Hoppel -Tom!“ Der Park ist bei diesem Wetter menschenleer. „So leer wie ich“, schießt es Tom durch den Kopf. Doch plötzlich ist da noch etwas anderes in seinem Kopf. Eine Melodie! Wo hat er die nur schon einmal gehört? Da fällt es ihm ein! Seine Oma hat mit ihm immer dieses Lied gesungen. Wie ging das noch? Tom überlegt. Aber er kann sich nicht mehr an den Text erinnern. Doch eines weiß er noch ganz genau: Immer wenn er bei seiner Oma war, haben sie abends vor dem Schlafengehen gekuschelt, heiße Milch mit Honig getrunken und dann zusammen das Lied gesungen. Und er hat sich so wunderbar dabei gefühlt – warm und wie von unsichtbaren Händen gehalten.

Tom ist jetzt ganz aufgeregt. Er muss unbedingt Mama fragen, wie dieses Lied heißt. Schnell läuft er nach Hause. Nur nicht die Melodie vergessen! Aber die ist ganz tief in ihm drin.

„Tom, wie siehst du denn aus! Was ist passiert?“, ruft seine Mutter entsetzt, als er völlig durchnässt, verheult und schmutzig vor der Tür steht. Doch Tom hat jetzt keine Zeit: „Mama, wie heißt das Lied, das Oma mir immer vorgesungen hat, wenn ich bei ihr war? Können wir kuscheln? Können wir eine heiße Milch mit Honig trinken?“, geht es wild durcheinander. Seine Mutter muss beinahe lachen: „Ich mache dir einen Vorschlag. Du ziehst dir erst einmal trockene Kleider an. Ich mache uns eine Milch mit Honig. Dann setzen wir uns zusammen auf das Sofa und du erzählst mir, was passiert ist.“

Und so machen sie es. Alles sprudelt nur so aus Tom heraus: Von den Mannschaftswahlen im Sportunterricht, seinen missglückten Bällen, weil er einfach nicht so schnell ist, dem Spott der anderen und seiner Einsamkeit. Aber auch von der Melodie, die ihn so glücklich gemacht hat. „Welches Lied ist das denn nun, das Oma immer mit mir gesungen hat?“, fragt Tom seine Mutter ungeduldig. „Na, das kann eigentlich nur ′Weißt du wieviel Sternlein stehen′ gewesen sein“, antwortet seine Mutter nach kurzem Überlegen und beginnt zu singen. Ja, ja, das ist es! Tom ist begeistert. Erst lauscht er beinahe andächtig seiner Mutter, aber dann, bei der letzten Strophe, muss er einfach mit einstimmen: „Gott im Himmel hat an allen seine Lust, sein Wohlgefallen, kennt auch dich und hat dich lieb, kennt auch dich und hat dich lieb.“ „Ja, wirklich, so ist es!“, denkt Tom, kuschelt sich an seine Mutter und trinkt einen großen Schluck von seiner Honigmilch.